Kommentar zum Hebräerbrief Kap.5

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Das fünfte Kapitel ist einem Exkurs gewidmet, der sich mit der Natur des Priestertums im Allgemeinen und dem, was Jeschua tatsächlich für uns getan hat, befasst; auch dem Exkurs wie man ein Kohen (Priester) wird, warum wird ein Kohen überhaupt benötigt usw… Warum ist diese Erinnerung erforderlich? Der Autor scheint mit Juden zu sprechen, die wissen, wer ein Priester ist, und dennoch ist es wichtig, einige politische Hintergründe zu verstehen, auf die wir eingehen werden. Das heißt, es ist nicht umsonst, dass der Autor seinen jüdischen Lesern (in größerem Maße jüdischen Zuhörern) die Bedeutung einiger einfacher Begriffe erklärt, denn mit diesen einfachen Begriffen führt er seine ganz komplizierten Thesen ein. Wir haben bereits gesagt, dass die ganze Botschaft mit Geheimnissen verbunden ist und in diesem Kapitel wird der Autor schließlich offen sagen, dass er über Geheimnisse spricht.

(Hebr. 5,1-3)

Denn jeder aus Menschen genommene Hohepriester wird für Menschen eingesetzt im Blick auf das Verhältnis zu Gott, um sowohl Gaben als auch Schlachtopfer für Sünden darzubringen, wobei er Nachsicht zu haben vermag mit den Unwissenden und Irrenden, da auch er selbst mit Schwachheit behaftet ist; und um ihretwillen muss er, wie für das Volk, so auch für sich selbst, der Sünden wegen opfern.

Aus den Brüdern, aus dem Volk wird ein Priester gewählt. Warum heißt es ausdrücklich, dass er aus Menschen genommen wird, von den Brüdern stammt? Das Buch Waijkra (3.Mose) 21,10 sagt darüber: “Und der Hohepriester unter seinen Brüdern.“ Auch wenn Gott Mosche befiehlt Aharon zu nehmen und ihn für das Priestertum zu weihen, sagt Er an manchen Stellen auch: „Bringe für Aharon ein Opfer dar, stelle Aharon, deinen Bruder ein“. Mosche weiß doch schon, von welchem Aharon wird gesprochen, warum wird das Wort achícha (deinen Bruder) doch hinzugefügt? ‒ Weil Aharon „dein Bruder“ ist, weil es Verwandtschaft gibt, die fleischliche Nähe eines Priesters zu den Menschen – und das ist wichtig. Es ist wichtig, dass der Priester nicht nur für uns vor Gott steht und für uns in das Allerheiligste eingeht und umgekehrt, auch Gott vor uns repräsentiert, sondern, dass er ist derselbe wie wir. Er wird aus den Brüdern ausgewählt, er ist berufen, zurückhaltend zu sein (alles ruhig wahrzunehmen), sich nicht zu zürnen und nicht zu bewundern über die Unwissenden und Irrenden.

Sehr oft, wenn uns eine Person etwas erzählt oder wir eine Art von Sünde sehen, sind wir von „gerechter Wut“ und Empörung durchdrungen, wir greifen oft mental nach Steinen oder, noch schlimmer, nach Worten, um diese Person zu „schlagen“. Wir sprechen von einem Priester, der das nicht tut, wir sprechen von einem Priester, der selbst nicht unrein wird angesichts der Unreinheit eines anderen, angesichts der Schwäche eines anderen, weil er selbst mit Schwachheit behaftet ist (er selbst ist belastet mit Schwäche, als wäre ihm ein Mühlstein des Gebrechens aufgehängt worden). Dieser „Mühlstein der Schwäche“ ist das Fleisch, in dem der Priester sich befindet, das Fleisch ist schwach, jeder von uns ist mit dieser Schwäche beladen.

Der Priester im Jerusalemer Tempel an Jom Kippur nahm zuerst den Stier, legte seine Hände darauf und sagte: „Herr der Welt, sowohl ich als auch mein Haus und die ganze Gemeinde der Söhne Aharons haben gegen Dich gesündigt, die ganze Gemeinde Deiner Heiligen. Vergib mir, vergib meinem Haus (im Sinne meiner Familie), vergib allen Söhnen Aharons.“ Zuerst war da die Reue, das Bekenntnis der eigenen Sünde des Priesters, und dann konnte er eintreten und für das Volk Opfer bringen. Nur wenige wissen es, aber der Talmud beschreibt, dass es vor Jom Kippur eine Generalprobe gab, dem Priester wurde gesagt, welches Gebet gelesen werden sollte, er wurde vor die Richter geladen, sie führten die Ochsen vor ihm her und sagten: „Ließ es, denn du hast vielleicht nicht gelernt oder hast vergessen“. Die Mischna (mündliche Tora) spricht davon, dass es einerseits alles ziemlich aufregend und schwierig war, andererseits war es ermüdend, wie jedes Training. Aber auf die eine oder andere Weise war der Priester in diesen Drill versunken, in dieses priesterliche Leben und die Routine des priesterlichen Dienstes vertieft, und er selbst, ein schwacher Mensch, ein Vertreter eines schwachen Volkes, brachte Opfer für sich und für das Volk.

Warum sagt der Autor des Briefes das? Trotz der Strenge und Einschränkungen galt die Position eines Priesters zur Zeit des Zweiten Tempels als sehr prestigeträchtig, sie wurde für Geld gekauft. Auf der einen Seite lesen wir eine Überlieferung, die sagt: „Von deinen Brüdern“ bedeutet, den besten der Brüder, den schönsten der Brüder, den höchsten, den reichsten, den gesegneten der Brüder zu nehmen. Andererseits sagen die Weisen: „Das ist natürlich alles gut, aber das betrifft den Ersten Tempel.“ Im Ersten Tempel war wirklich alles so, im Zweiten Tempel ging alles schief. Zum Beispiel gab es eine Frau namens Martha bat Bejtuz ‒ eine Witwe mit einem sehr großen Erbe, mit einem riesigen Erbe, ihr Name wurde in Jerusalem ein Begriff, man könnte über eine reiche Person sagen: „Reich wie Martha bat Bejtuz“ . Martha ist ein sehr gebräuchlicher Name für eine Frau, was „Herrin“ bedeutet. Und so heiratete Martha bat Bejtuz als Witwe den Hohepriester, dem es in der Tat verboten ist, eine Frau zu heiraten, die verheiratet war, er darf nur eine Jungfrau heiraten ‒ die Moral wurde bestechlich.

(Hebr. 5,4)

Und niemand nimmt sich selbst die Ehre, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aharon.

Der Talmud spricht viel darüber, und es gibt viele Quellen, die sagen, dass die Situation in Jerusalem schwierig war, aber der Autor des Hebräerbriefs betont, dass trotz allem, was der Leser jetzt dort sieht, niemand diese Ehre (Priestertitel) für sich selbst kaufen kann. Aber in Wirklichkeit, sehen wir, dass sie „diese Ehre“ doch für Geld kauften. Wieso? Priestertum war eine sehr einträgliche, profitable Position in einem korrupten Tempel, aber ursprünglich sollte es „ein von Gott berufener Mann wie Aharon“ sein. Der Verfasser des Hebräerbriefes sagt, dass die Realität, die man sieht, die entspricht nicht dem Idealzustand. Wenn eine Person das Amt des Hohenpriesters gekauft oder irgendwie in das Hohepriesteramt eingestiegen ist mit listigen Mitteln, dann gilt es nicht als Berufung ‒ „niemand nimmt sich selbst die Ehre“. Das war in der Tora offensichtlich, im Zweiten Tempel nicht.

(Hebr. 5,5-6)

So hat auch der Christus sich nicht selbst verherrlicht, um Hohepriester zu werden, sondern der, welcher zu ihm gesagt hat (Psalm 2,7): »Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt.« Wie er auch an einer anderen Stelle sagt (Psalm 110,4): »Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.«

Im Original steht geschrieben: al dibrát melchisédeknach dem Eid, mit dem Ich Melchisedek geschworen habe oder nach der Tradition des Erbes von Melchisedek. Dieser Satz „nach der Ordnung von Melchisedek“, es ist sehr schwer zu verstehen, wir werden darauf zurückkommen, weil der Autor in den folgenden Kapiteln viel über Melchisedek sprechen wird. Fürs Erste reicht es hier, die Idee des Autors zu verstehen, dass Gott einen Priester auswählt und Gott dem Maschiach Jeschua die hohepriesterliche Autorität gegeben hat. Warum musste der Autor dazu Stellung nehmen? Denn nach damaligen Maßstäben: man wußte nie, wer der nächste Hohepriester werden wird, vielleicht wird er ein Betrüger, es gabs viele Kandidaten für Hohepriesteramt.

(Hebr. 5,7)

Der hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als auch Flehen mit starkem Geschrei und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod retten kann, und ist um seiner Gottesfurcht willen erhört worden,

Dieser Vers scheint verständlich zu sein, obwohl das, was verständlich erscheint, nicht immer verständlich ist. Schauen wir uns zuerst das Wort dargebracht an, was auf die Opferung hindeutet. Gebet wurde mit Opfer verglichen, und wir sehen einen solchen Vergleich bei den Propheten: „Lasst uns unser Herz ausgießen vor Gott“, „Opfer für Gott ist ein gebrochener Geist“, usw. Auch hier ist die Parallele zum Priester sehr wichtig, weil man über den Priester sagte, er habe an Jom Kippur so laut gebetet und aus seinem Gebet kamen solche Schreie, dass es Tage gab, wo es in Jericho, das heißt in ziemlich großer Entfernung, zu hören war.

Wir können die Frage stellen: Der Brief an die Hebräer sagt, dass Jeschua betete „zu Dem, der ihn vor dem Tod retten konnte und erhört wurde“, aber in Wirklichkeit ist er gestorben…Wir wissen, dass er auferstanden ist, aber wofür betete dann Jeschua? Jeschua betete: „Lass diesen Kelch an mir vorbei gehen“ – nicht nur den Kelch des Todes, sondern den Kelch der Qual. Sein Gebet, dass der Kelch der Qual an ihn vorbei geht, wurde nicht erhört, er hat diesen Kelch wirklich getrunken, wir sehen es, er starb einen qualvollen Tod.

Worum geht es dann, wenn von diesem Gebet hier gesprochen wird? Wir können einige Hinweise darauf in jüdischen Quellen lesen. Zum Beispiel sagt das Buch Sohar, das der Gebetsschrei, den ein Mensch vor dem Allmächtigen betet, korrigiert die Welt, stellt den Frieden wieder her und rüstet das Universum aus. Jeschua betete nicht nur, dass der Kelch der Qual an ihn vorbei geht, wir lesen sein Gebet im Johannesevangelium, dass er betet für die göttliche Fügung für seiner Jünger, betet für die Umsetzung des Göttlichen Plans, dafür, dass er an dieser Umsetzung des Göttlichen Plans teilnimmt, und dieses Gebet wurde erhört. Sein Tod, seine Leiden waren nicht umsonst, er ertrug sie, aber in seinem Gebet ging es nicht nur um Leiden. Und der nächste Vers spricht darüber.

(Hebr. 5,8)

und lernte, obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam;

Auch hier ist der Text sehr schwer zu verstehen. War Jeschua vorher ungehorsam und lernte den Gehorsam nur durch Leiden? Ist es möglich, über einen Menschen zu sagen, selbst wenn über einen Gottmenschen, der gestorben ist, dass er nach der Auferstehung etwas gelernt hat? Kann man denn sagen: Wir werden einen Menschen hinrichten, ihn zu Tode foltern und ihm dadurch etwas beibringen? Alles ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Wir werden uns zum Verständnis wieder der Tradition zuwenden. Mehilta (eine der frühesten Bücher der mündlichen Tora) sagt: „Leiden ist süß…“ Das Wort issurim (Leiden) wird auch mit Erziehung in Verbindung gebracht, mit Strafe, mit Leiden, durch die man lehrt. Das Wort issur (Leid) ist mit dem Wort mussar (Moral) tief verbunden. Lesen wir, was Mehilta als nächstes sagt: „Leiden ist süß, denn der Name Gottes wird dem Leidenden auferlegt“. Das heißt, der Leidende wird mit dem Namen des Allmächtigen genannt. Wie es ist zu verstehen? Mehilta bezieht sich auf Buch Dwarim (5.Mose) 8,5: „So erkenne in deinem Herzen, dass der HERR, dein Gott, dich erzieht (lijasser), wie ein Mann seinen Sohn erzieht!“ Obwohl du ein Sohn bist, Gott bestraft dich, das heißt Gott belehrt seinen Sohn durch Leiden. Was der Hebräerbrief hier sagt, ist eigentlich ein Zitat. Rabbi Schimon bar Jochai sagt, dass issurim ein großer Segen ist, weil es gibt drei Gaben, die die Welt durch issurim (durch Leiden), erhält: Erstens erhält ein Mensch dank des Leidens die Tora. Rabbi Schimon bar Jochai zitiert Mischlej (Sprüche) 1,2: „Um zu erkennen Weisheit und Zucht (mussar ‒ Belehrung durch Leiden), um zu verstehen verständige Worte“. Psalm 94,12: „Glücklich der Mann, den Du züchtigst (oder „den du durch Bestrafung lehrst“), ja, den Du belehrst aus deinem Gesetz (oder „du gewöhnst ihn an das Gebot“)“ ‒ was bedeutet, dass durch Leiden erlernt der Mensch die Fähigkeit, das Gebot zu befolgen.

Das zweite, was durch Leiden erworben wird, ist das Land Israel. Um das zu beweisen, zitiert Rabbi Schimon bar Jochai erneut Dwarim (5. Mose) 8, zitiert aber in erweiterter Form: „So erkenne in deinem Herzen, dass der HERR, dein Gott, dich erzieht, wie ein Mann seinen Sohn erzieht! Halte nun die Gebote des HERRN, deines Gottes, indem du auf seinen Wegen gehst und ihn fürchtest. Denn der HERR, dein Gott, bringt dich in ein gutes Land, ein Land von Wasserbächen, Quellen und Gewässern, die in der Ebene und im Gebirge entspringen“ usw. Das heißt, Gott lehrt dich durch Leiden, um dich in das Land zu führen, durch Leiden wirst du vollkommen, du wirst bereit, das Land zu betreten, du erwirbst die Tora und das Land.

Und die dritte Gabe, die ein Mensch durch Leiden erwirbt, laut Rabbi Schimon bar Jochai, ist die kommende Welt. Und wieder wird das Buch Mischlej zitiert (6,23): “Denn eine Leuchte ist das Gebot und die Weisung ein Licht, und ein Weg zum Leben sind Ermahnungen der Zucht“, der Weg zum Leben ist natürlich der Weg zum ewigen Leben.

Das heißt, durch Leiden erwirbt der Mensch kein neues Wissen, sondern er erwirbt neue Eigenschaften oder nimmt das Land, die Tora und die zukünftige Welt in Besitz, er erhält gewisse Rechte am Land, an der Tora, an der zukünftigen Welt. Der Mensch bekommt einen Anteil am Land, an der Tora und an der zukünftigen Welt durch Leiden ‒ das ist das wahrscheinlichste Verständnis des Wortes „lernen durch Leiden“. Nicht, dass Jeschua neues Wissen erlangt hätte, und der Allmächtige sagte: „Das ist Mein geliebter Sohn, der in allem versucht wird außer in der Sünde, aber Ich werde ihn Gehorsam lehren.“ Wie kann man jemandem Gehorsam beibringen, der nicht versucht ist zu sündigen? Jeschua hat sich das erworben, wodurch man Gehorsam lernt. Warum brauchte er es? Erinnern wir uns an das Markusevangelium, das wir zitiert haben, dass man, um ein Haus zu plündern, hineingehen und den Besitzer fesseln muss ‒ um Segen auf die Erde zu bringen, ist es notwendig, die Angst vor der Sünde zu brechen, die den Menschen widersteht, all die Segnungen zu erwerben. Die Angst vor der Sünde führte zum Unglauben und wegen des Unglaubens konnten die Menschen nicht ins Land eingehen, davon wurde im vorigen Kapitel gesprochen, und wir selbst sind in der gleichen Gefahr, nicht ins Land einzugehen.

(Hebr. 5,9-10)

und vollendet ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden, von Gott begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks

Der Autor des Briefes erklärt uns, was mit Jeschua tatsächlich passiert ist: er hat nicht nur gelernt zu leiden, er wurde „vollendet, vollkommen“. Für alle, die seinen Weg gehen, ist er ein Weg geworden, wie er selbst sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Er wurde der Weg zum ewigen Leben, die Tür zum ewigen Leben. Noch einmal, ich muss es wiederholen: Er wurde zu keinem Portal, zu keinem Ort, an den wir uns teleportieren, sondern er wurde zu dem Beginn des Weges zum ewigen Leben.

Wir kehren zum Leiden zurück. Wir wissen, dass Leiden auch sühnt, nicht nur der Tod sühnt, sondern auch das Leiden sühnt. Als Beispiel können wir noch einmal eine Stelle aus dem Buch Waijkra (3 Mose) 26,43 anführen: „Denn das Land muss von ihnen verlassen sein, damit es in seiner Verödung ohne sie seine Schabbate ersetzt bekommt, und sie selbst werden ihre Schuld bezahlen“. Sie werden für ihre Schuld leiden, das heißt, sie können durch irgendeine Art von Leiden ihre eigene Schuld sühnen. Und das ist wichtig, weil Jeschua erlöst uns auch von unserer Schuld und Ungerechtigkeit. Es war für Gott keine so leichte Aufgabe, seinen Sohn der Folter zu überlassen. Er, der Hohepriester geworden ist, ist unser Stellvertreter vor Gott geworden, wir alle haben in ihm die Qualen ertragen, er erduldete Qualen für uns. Nicht anstelle von uns, sondern als wir: Er erlitt als unser Stellvertreter Qualen. Er ist in den Himmel aufgefahren und unser Mann im Himmel geworden, durch Leiden für uns, das heißt in unserem Namen. Und in unserem Namen trug er unsere Leiden auf sich, so wie der Kohen die Sünden des Volkes bekannte. Wegen dieser Bereitschaft, Sünden zu tragen, Leiden zu ertragen, wurde er von Gott „ein Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks“ genannt.

Wenn wir am Anfang lesen, dass ein Priester aus den Menschen erwählt wurde, so ist auch er tatsächlich „aus den Menschen“, er wurde ein Mensch und wurde unser Mann im Himmel und Gott selbst gab ihm diese Ehre. Er hat diese Ehre nicht gekauft, nicht erworben, nicht einmal die Weltmeisterschaft im Leiden gewonnen, wenn es eine solche Meisterschaft gäbe, sondern, er hat gelitten und uns in sich vereint, wie der Kohen das ganze Volk in sich vereint hat, und in diesem Sinne hat er für uns gelitten. Wenn wir sein Leiden nicht teilen, dann nehmen wir nicht an ihm teil. Er litt, als er „wir“ war, er war unser Stellvertreter, er ist ständig im Himmel für uns da, weil er vollkommen geworden ist.

Das hört sich alles sehr kompliziert an. Generell ist das ganze Thema des Priestertums ein sehr komplexes Thema.

(Hebr. 5,11-12)

Darüber haben wir viel zu sagen, und es lässt sich schwer darlegen, weil ihr im Hören träge geworden seid (ihr seid nicht gewohnt es zu hören). Denn während ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, habt ihr wieder nötig, dass man euch lehrt, was die Anfangsgründe der Aussprüche Gottes sind; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise

Im jüdischen Sinne gab es für einen Anfänger so einen Spitznamen januká, man könnte sagen Säugling. Das ist eine Person, die gerade damit begonnen hat, die Heilige Schrift zu studieren, doch verstand noch nichts, man könnte sagen, er lernte nur die Buchstaben. Januká kam immer in den cheder (die Schule für die Kinder), ich weiß nicht, wie es im 1. Jahrhundert war, aber im Mittelalter und später backte man Lebkuchen in Form von mit Honig bestrichenen Buchstaben, und das Kind leckte den Honig von ihnen ab, das heißt, das Lernen ging durch eine Art Versüßung, die vom Autor mit Milch verglichen wird. Der Autor sagt hier eine sehr wichtige und traurige Sache, er spricht tatsächlich mit Schmerz, so, dass seine Persönlichkeit, sein Empfinden hier sichtbar ist. Und er sagt, dass es gäbe so viel dazu zu sagen, das sei ein so wichtiges Thema, dass Leiden Gehorsam ermöglicht, oder, wenn die Parallele, die wir gezogen haben, passt: dass Leiden einen Zugang zur kommenden Welt eröffnet. Er litt für uns, litt wie ein Kohen, der aus uns, aus dem ganzen Volk, ausgewählt wurde, um für uns etwas zu bringen, das größer ist als ein Opfer. Und das ist es wert, noch mehr darüber zu sagen, aber die Zuhörer haben harte Ohren, es fällt ihnen schwer, es zu hören, und sie müssen zuerst die Anfänge der Lehre, die sie gehört haben, noch einmal wiederholen. Was bedeutet „wiederholen“? Das bedeutet nicht unbedingt, dass der Autor des Hebräerbriefs der Meinung ist, dass er, um all dies zu erzählen, die Grundlagen der Lehre noch einmal wiederholen muss. Nein, das stimmt überhaupt nicht und es wird im nächsten Kapitel deutlich. Der Autor scheint zu sagen: „Ihr seid keine Jünger geworden, ihr sitzt an der Milchspeise, ihr wollt sich nirgendwo bewegen, ihr habt ein schweres Ohr, es ist schwer für euch, etwas zu hören, das euch verändern wird, geschweige denn, das euch dazu bringt, etwas zu leiden. Deshalb steckt ihr so fest in euren christlichen Kindheit, steckt fest in der jüdischen Kindheit, in der Kindheit mit dem Maschiach und es fällt mir schwer mit euch zu reden, das Milch ist gefährlich für euch.

Ihr sollt schon bereit sein für andere Speisen, ihr sollt Fleischnahrung bekommen, aber ihr wollt nur Milch, ihr wollt Speisen, die durch einen Fleischwolf, durch einen Mixer sehr fein gehackt sind ‒ das wollt ihr, damit man euch die Speise vorkaut und in den Mund reinsteckt, aber eigentlich sollt ihr schon an feste Nahrung gewöhnt sein.“ Der Verfasser des Briefes möchte zu fester Nahrung übergehen, worüber er im sechsten Kapitel sprechen wird.

(Hebr. 5,13-14)

Denn jeder, der noch Milch genießt, ist richtiger Rede unkundig, denn er ist ein Unmündiger; die feste Speise aber ist für Erwachsene (Jeschua wurde erwachsen und feste Nahrung ist erforderlich, um ihm zu folgen), die infolge der Gewöhnung geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten wie auch des Bösen.

Jeder, der an Milch gewöhnt ist, der süchtig nach Milch ist ‒ ist unwissend, unerfahren in der Gerechtigkeit, er hat nicht die Fähigkeit, rechtschaffene Taten zu tun, er hat nicht die Praxis der Gerechtigkeit.

infolge der Gewöhnung“ ‒ hier wird das Wort „γεγυμνασμενα“ (gegymnasmena) verwendet, das mit dem modernen Wort Gymnastik verwandt ist. Das bedeutet eintrainiert, eingeübt, das heißt, Menschen, die ständig die Tora praktizieren, die Lehre ständig praktizieren, die nicht an einer Stelle bleiben, sondern sind daran gewöhnt, spirituell zu wachsen. Auf dieses Thema wird der Autor später noch genauer eingehen.

Ich möchte euch erinnern, dass die Unterteilung in Kapitel, der wir auch folgen, zum Teil künstlich ist und der Autor diesen Gedanken im sechsten Kapitel weiterführen wird.

Um das ganze Kapitel zusammenzufassen: Der Autor sagt, dass der Hohepriester unter den Schwachen ausgewählt wurde, wie alle Menschen schwach sind, wie alle Menschen sündig sind und auch der Hohepriester ein sündiger Mensch war, deshalb brachte er das Opfer für seine Sünde dar, bevor er das Allerheiligste betrat, bevor er im Allerheiligsten diente. Jeschua hatte keine Sünde, er hatte kein Opfer für die Sünde, er konnte kein Opfer für seine Sünde darbringen. Er hat Leiden ertragen, Leiden ist auch parallel zum Opfer, wir haben darüber gesprochen: Durch Leiden wurde er vollkommen, sein Opfer sind auch die Schreie und Gebete gewesen, die er dem Allmächtigen brachte, und wir haben in ihm den Hohenpriester, den Gott Selbst den Hohenpriester nannte. Für einen Juden des 1.Jahrhunderts ist das unter anderem eine Alternative zum korrupten Priestertum seiner Zeit, es ist im Allgemeinen das ideale Priestertum für alles, und wie wir im sechsten und siebten Kapitel noch sehen werden, ist es der ursprüngliche Plan Gottes. Wir werden dort das Wort „Priester“ und die Verbindung mit Melchisedek und alles andere analysieren. Aber bisher sagte der Autor, dass das alles schwer zu erkennen ist, weil es nicht die Art von Nahrung ist, an die die Zuhörer gewöhnt sind. Wenn wir das lesen, dann müssen wir verstehen, dass wir nicht von „denen“ sprechen, sondern von uns, es ist schwer für uns, es zu hören. Es ist meist leicht zu sagen: „Na ja, die da waren so, aber wir sind keine Kinder mehr, wir sind es schon gewohnt, Fleisch zu essen“, nein, auch wir lieben Milch und das gilt auch für uns. Möge der Allmächtige uns alle segnen, dass wir von der „festen Nahrung“ gelehrt werden, das wir die Trennung von Gut und Böse praktizieren.

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