Markusevangelium, Kapitel 9

Kapitel neun Markus Evangelium beginnt folgend

(Mk. 9,1-2):

Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt

Häufig wird gefragt, warum es bei Markus nur einen Besessenen und bei Matthäus zwei Besessene gab. Aus dem zitierten Abschnitt kann auch die Frage hervorgehen: Warum schreibt Markus, dass sechs Tage vergingen, während andere Evangelisten von acht Tagen sprechen? Und warum besteht zwischen ihnen dieser Unterschied? Ich rate euch die Evangelien zu lesen, ohne sie miteinander zu vergleichen oder gegenüberzustellen. Denn jedes Evangelium ist eine separate Geschichte. Für Markus war es wichtig, sechs Tage hervorzuheben. Sechs Tage, als Mosche auf die Antwort des Allmächtigen aus der Wolke wartete. Für Matthäus ist jedoch der achte Tag wichtig. Als der Tempel „in Betrieb genommen wurde“ (3 Mose 9,1), sagt die Tora, dass Mosche am 8. Tag die Stiftshütte öffnete und es gab eine „Chanukka“ – Einweihungsfeier, Erneuerung der Stiftshüte. D.h. diese Tage und Zahlen zeigen  bestimmte parallele historischen Ereignissen an und stellen, so zu sagen, Dekorationen zur Erzählung dar. Es ist für uns unbedeutend zu wissen, nach welchen Ereignissen sechs oder acht Tage vergangen sind, denn hier geht es nicht um die Chronologie, sondern um der Symbolik, die hinter dieser Chronologie stehen kann.

 Also (Mk. 9,2) :

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt.

Laut der Tradition handelt es sich um den Berg Tavor, wenn auch es Mystiker gibt, die eher der Meinung sind, dass es hier um den Berg Hermon geht, das war der höchste und am stärksten mit Schnee bedeckte Berg in der Umgebung. Denn von Hermon wird im Buch „Henoch“ und in einer anderen apokryphe Literatur erzählt, dass Engel auf diesen Berg heruntersteigen. Dennoch wird in den Evangelien nicht direkt erwähnt, um welchen Berg es sich handelt. Und wenn hier der Berg Hermon gemeint wäre, würde es bedeuten, dass die Jünger relativ hoch aufsteigen mussten.

 (Mk. 9,3):

und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann.

Markus weist auf das himmlische Ausbleichen der Kleidung hin. Wiederum deutet er nicht, im Gegensatz zu den Verfassern anderer Evangelien, auf die Verklärung des Gesichts hin. Denn, wahrscheinlich charakterisiert Markus Jeschua aufgrund des Zeugnisses von Petrus. Petrus und die anderen Apostel konnten hinter Jeschua stehen und sein Gesicht einfach nicht sehen. Von der Verklärung sprechen die Propheten, insbesondere Jesaja, er berichtet, dass die Gerechten verwandelt werden. Das Abbild davon sehen wir hier

(Mk. 9,4):

Und es erschien ihnen Elia mit Mose, und sie redeten mit Jesus.

Anscheinend sprechen sie nur mit Jeschua. Petrus, Jakobus und Johannes sind am Gespräch nicht beteiligt, sie stehen in Verwirrung, Fassungslosigkeit und Angst.

 (Mk. 9,5):

Und Petrus antwortete und sprach zu Jesus: Rabbi, hier ist für uns gut sein; wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. 

Wahrscheinlich spricht Petrus hier von einer Hütte nicht im Sinne einer „Sukka“ – Laubhütte, die zum Fest Sukkot gebaut wird (3 Mose 23:42). Das Wort, das hier als Hütten übersetzt wird, kann auch Stiftshütten bedeuten. Petrus meint genau das – die Stiftshütte – ein Zelt für den Dienst. Markus erklärt, dass Petrus selber nicht wusste, was er sagte, denn sie waren in Verwirrung und das ist auch verständlich.

(Mk. 9,6-8):

Er wusste aber nicht, was er redete; denn sie waren verstört. Und es kam eine Wolke, die überschattete sie. Und eine Stimme geschah aus der Wolke: Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören! Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein.

Aus anderen Stellen in der Schrift wissen wir, dass Gott in der Wolke erschien und von dort sprach. Hier passiert das Gleiche – die Wolke ging tatsächlich hinunter so wie in der Stiftshütte. Eventuell ist es zum Teil eine Antwort auf die verwirrte Aussage von Petrus.

In rabbinischen Texten kommen öfters die Geschichten vor, in denen sich ein paar Menschen treffen, sich unterhalten und dann vom Himmel eine Stimme erklingt, dass man „auf denjenigen hören soll“ oder „derjenige ist der Größte unter euch“. Das war für alle ein Zeugnis des Himmels. Und um so ein himmlisches Zeugnis baten Pharisäer. Aber ihnen wurde kein Zeugnis gegeben. Seinen Schülern gibt Jeschua solches Zeugnis.

Der Aufstieg auf den Berg symbolisiert den Ort, wo sich so zu sagen Himmel und Erde treffen. Der Aufstieg auf den Berg ist zudem ein Aufruf von Himmel und Erde Zeugen zu sein. Hier hat man Zeugen von Lebenden: Petrus, Jakobus und Johannes und Zeugen von den Verstorbenen: Mosche und Elijahu. Ihnen zeugt die himmlische Stimme – „bat kol“ – dass Jeschua der geliebte Sohn ist.

Aus diesem Zeugnis geht hervor, dass Jeschua mehr als Elijahu und mehr als Mosche ist. Midrasch(Auslegung) sagt traditionell, dass Mosche und Elijahu in allem gleich sind, aber Elijahu widerspiegelt die Propheten und Mosche widerspiegelt das Gesetz (Midrasch Pesiqta Suta). Hier sehen wir,dass Jeschua als der Größte von ihnen in der Anwesenheit von Zeugen, durch eine himmlische Stimme und  traditionsgemäß erklärt wurde. Das ist genau das Zeichen, um das die Pharisäer baten und das sie nicht erhielten. Und dieses Zeugnis sollte zunächst ein Geheimnis bleiben.

 (Mk. 9,9-10):

Als sie aber vom Berg herabgingen, gebot ihnen Jesus, dass sie niemandem sagen sollten, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn auferstünde von den Toten. Und sie behielten das Wort und befragten sich untereinander: Was ist das, auferstehen von den Toten?

Das Wort „behielten“ bedeutet in der Sprache der Torastudiums, dass sie sich damit auseinandersetzten. Wenn der Lehrer etwas erzählt, aber die Schüler es nicht verstehen, dann bedeutet die Diskussion über das Wort des Lehrers – „es behalten“. Sie stellten das Wort zur Diskussion und fingen an, einander zu fragen, was es bedeutet, von den Toten aufzuerstehen. Zudem hatten sie auch noch eine Frage aus den früheren Lehrstunden Jeschuas

 (Mk. 9,11):

Und sie fragten ihn und sprachen: Sagen nicht die Schriftgelehrten, dass zuvor Elia kommen muss?

Im Judentum gibt es keine eindeutige Zeitangabe über das Kommen des Maschiachs. Dennoch, sprechen solche Quellen wie „Buch Henoch“, „Aufstieg der Vorväter“ , „Ben Sira“, und andere Apokryphen, dass Elijahu vor dem Kommen Maschiachs kommen soll. Es gibt verschiedene Erklärungen dazu. Laut einer Version soll Elijahu das Kommen des Maschiachs ankündigen, laut einer anderen Version soll er zehn verstreute Stämme versammeln. Laut der dritten Variante soll er kommen und alles so vorbereiten, dass alle erfahren, wer Maschiach ist, er soll vom Maschiach zeugen

 (Mk. 9,12):

Er aber sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles wieder zurechtbringen.

Jeschua bestätigt damit die Tradition der Gelehrten, auf die sich die Jünger berufen, und ergänzt dabei

(Mk. 9,12-13):

Er aber sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles wieder zurechtbringen. Wie steht dann geschrieben von dem Menschensohn, dass er viel leiden und verachtet werden soll? Aber ich sage euch: Elia ist gekommen, (wir wissen, dass er von Johannes dem Täufer spricht) und sie haben ihm angetan, was sie wollten, wie von ihm geschrieben steht.

Es gibt keine schriftlichen Quellen, die bestätigen, dass Elijahu einen Märtyrertod sterben muss. Aber jeder, der die Frage über Maschiach im Judentum erforscht hat, weiß, dass es eine Tradition über zwei Maschiache gibt. Zum einen geht es um Maschiach ben Joseph, der leidet und stirbt. Einer der Meinungen ist, dass er im Kampf gegen Heiden stirbt. Eine andere Meinung sagt, dass er im Gericht getötet wird, weil er leidet für die Sünden des Volkes. Und laut einer der Meinungen wird Elijahu genau der Maschiach sein, der Sohn Josephs, der kommen und so behandelt wird. Somit weist Jeschua auf mündliche Tradition hin, genauer gesagt auf apokryphische Tradition bezüglich Elijahu, und bestätigt sie durch seine Worte. Und wenn Jeschua etwas bestätigt, soll es wie die Wahrheit angenommen werden. So die Worte Jeschuas: „Elijahu ist gekommen – Johannes der Täufer – und sie haben ihm angetan, was sie wollten“, d.h. man richtete ihn hin. Markus erzählt darüber ausführlich.

Danach kehrt Jeschua zu seinen Jüngern zurück.

 (Mk. 9,14-18):

Und sie kamen zu den Jüngern und sahen eine große Menge um sie herum und Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten. Und sobald die Menge ihn sah, entsetzten sich alle, liefen herbei und grüßten ihn. Und er fragte sie: Was streitet ihr mit ihnen? Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn zu Boden; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht.

Wahrscheinlich entzündete sich ein Streit zwischen Pharisäern und Jüngern. Anscheinend machten sich die Pharisäer über Jeschuas Schüler lustig, weil sie den Geist nicht austreiben konnten. Jeschua sagt aber

(Mk. 9,19):

Er antwortete ihnen aber und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, (nicht ohne Glauben, sondern mit dem geringeren Glauben) wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? 

Überraschend, von Jeschua – traditionell freundlichen und sanftmütigen – solche Worte zu hören. Aber wenn man an Mosche denkt, der der sanftmütigste Mensch war, sagte er bei der Ermahnung des Volkes ähnliches. Hier handelt es sich nicht um Überheblichkeit oder irgendwelche Beschimpfungen, sondern Jeschua macht sich Sorgen, dass seine Schüler einen geringeren Glauben haben, obwohl sie so viele Wunder sahen.

 (Mk. 9,20-23):

Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! Jesus  sprach zu ihm: Wenn du  kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 

Der Vers 23 sollte gesondert betrachtet werden, weil er nicht ganz korrekt übersetzt wurde wegen Textproblem. In vielen alten Schriften fehlt das Wort „glauben“, das hier verwendet wird. Jeschua paraphrasiert an dieser Stelle die Worte des Vaters und sagt: „Wenn du mindestens etwas kannst, ist alles dem Gläubigen möglich.“ D.h. „Frage nicht, was ich kann, sondern sprich von deinem Glauben. Du selber, was kannst du?“ „Dem Gläubigen ist alles möglich und du, was kannst du?“

 (Mk. 9,24):

Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! 

In anderen Worten antwortet der Vater, dass sein kleiner Glaube nicht ausreicht, um mit diesem Geist fertig zu werden. Jeschua sieht voraus, dass sich das Ganze in eine Show verwandeln kann, und wartet daher nicht, bis sich eine Volksmenge versammelt.

(Mk. 9,25-27):

Als nun Jesus sah, dass die Menge zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! Da schrie er und riss ihn heftig hin und her und fuhr aus. Und er lag da wie tot, sodass alle sagten: Er ist tot. (Wahrscheinlich dauerte diese Verstörung nur paar Minuten) Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf, und er stand auf. 

Achten wir auf Jeschuas Worte: „Du sprachloser und tauber Geist“. Wenn der Geist taub ist, ist es sehr schwierig zu ihm irgendwelche Beschwörungen oder Forderungen anzuwenden, weil der Geist selbst nicht hört. Die Laute haben auf ihn keine Auswirkung, egal wie sehr man ihn anschreien würde: „Im Namen Jesu Christi!“ Deswegen reichen weder ein einfacher Glaube, noch elementare Kenntnisse der ersten Stufe des Exorzismus, auf der sich die Schüler befinden, nicht aus, um diesen Geist auszutreiben.

 (Mk. 9,28-29):

Und als er ins Haus kam, fragten ihn seine Jünger für sich allein: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? (Das ist vermutlich wieder das Haus von Petrus). Und er sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.

Fasten ist ein Einschub, der etwas später erschien, der Originaltext von Markus enthält das Wort „Fasten“ nicht. Obwohl es seitens Jeschua scheinbar kein Gebet gab, er wandte sich nicht an den Himmlischen Vater, es wurde nicht gesagt: „Himmlischer Vater verbiete diesen Geist“, es gab nichts dergleichen –  er befahl einfach dem Geist herauszugehen. Aber wir sehen, dass der Vater von dem Jungen um Hilfe bat und  sprach: „Herr, hilf meinem Unglauben!“ Man könnte annehmen, dass „Herr“ eine Anrede für Jeschua, aber wahrscheinlicher wandte sich der Vater des Jungen zu Gott. Und das ist ein Gebet – der Ruf des Vaters um Hilfe, um den Tauben zu erreichen, erschien als notwendig.

Hier können wir etwas tiefer den Sinn des Streits zwischen Jüngern und Gelehrten verstehen. Das Problem bestand darin, dass ein Tauber Mensch einem völlig nutzlosen Menschen gleichgesetzt wurde. Ein tauber Mensch war frei von allen Geboten, weil es war unmöglich, ihm die Tora beizubringen. Ein tauber Mensch konnte sich sogar keine Braut nehmen, denn, was kann er schon geben… Diese Regel galt nicht nur bei Juden, sondern überall. Beispielweise gibt es eine römische Aussage – „Absurd“. Absurd bedeutet das, was ein Tauber sagt, etwas Unsinniges, unverständliches usw. Da der Mensch keine Lehre aufnehmen konnte, galt er als nichtexistierend, wertlos. Und wahrscheinlich lag die Frage über die Möglichkeit, so einen Menschen zu rehabilitieren, ihn wiederherzustellen, der Diskussion zwischen Jüngern Jeschuas und Gelehrten zugrunde.

Also, Jeschua zeigt hier, dass die Einstellung zu einem tauben Menschen (lassen wir Dämonen beiseite) als zu einem wertlosen Menschen, der nichts lernen kann, völlig falsch ist. Jeden Menschen kann man rehabilitieren. Ein verächtlicher Umgang mit dem Menschen empört gerade Jeschua, als er sagt: „O du ungläubiges Geschlecht! Wie lange soll ich euch ertragen?“ Weiter lesen wir

(Mk. 9,30-32):

Und sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa; und er wollte nicht, dass es jemand wissen sollte. Denn er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen, und sie werden ihn töten; und wenn er getötet ist, so wird er nach drei Tagen auferstehen. Sie aber verstanden das Wort nicht und fürchteten sich, ihn zu fragen.

Warum hatten die Jünger Angst Jeschua zu fragen? Sie hatten keine Angst, dass Jeschua sie mit einem Stock verprügelt oder eine schlechte Note für eine dumme Frage vergibt. Traditionell herrschte Konkurrenz zwischen Weisen und Schülern im Judentum. Uns erreichte eines der persönlichen Gebete des Lehrers Rabbi Jehuda, der vor dem Betreten des Lehrhauses betete: „Gott, lass mich heute keinen Fehler bei der „Halacha“(Praktische Gesetze) machen, damit meine Mitschüler sich nicht erfreuen.“ Denn, wenn der Mensch einen Fehler macht oder etwas Unsinniges sagt, dann sieht jemand anderer in seinem Licht klüger aus. Philippus verstand etwas nicht, Petrus verstanden etwas nicht aus dem, was Jeschua sagte, aber sie stellten keine Fragen aus Angst, durch andere Schüler ausgelacht zu werden. Das bedeutet, sie fürchteten nicht vor Jeschuas Reaktion, sondern vor der möglichen Reaktion der Mitschüler. Und genau im nächsten Abschnitt kommt diese Konkurrenz zwischen den Schülern zum Ausdruck

(Mk. 9,33-35):

Und sie kamen nach Kapernaum. Und als er im Haus war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg besprochen? Sie aber schwiegen; denn sie hatten auf dem Weg miteinander besprochen, wer der Größte sei. Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.

Einiger Zeit später, vielleicht etwa 300 Jahre nachher, lebte Rabbi Jehoschua. Er hatte einen Sohn Josef, der einmal klinisch tot war. Darüber erzählt Talmud im Traktat Bava Batra. Nach einiger Zeit wurde sein Sohn auferweckt und Vater fragte ihn: „Was hast du dort gesehen, mein Sohn?“ Und Josef, ein kleiner Junge, antwortete: „Ich habe eine umgedrehte Welt gesehen: die Höheren sind dort unten und die Niedrigeren sind dort oben. Derjenige, der hier ein Herr ist, ist dort ein Diener. Derjenige, der hier ein Diener ist, ist dort ein Herr. Derjenige, der hier erniedrigt ist, ist dort erhaben, und derjenige, der hier erhaben ist, ist dort erniedrigt.“ Nachdem der Vater ihm zuhörte, antwortete er: „Du hast eine „gerade“ Welt gesehen.“

 Da Jeschua seine Schüler nicht für eine irdische Karriere vorbereitet, sondern für das Leben in Ewigkeit, sagt er ihnen: um der Erste in der Ewigkeit zu sein, ist es notwendig, hier, in dieser Welt, der Letzte und aller Diener zu sein. Dann können wir möglicherweise in der umgedrehten Welt, so wie sie Josef sah, zu den Ersten werden.

Weiter folgt wieder eine Jeschua Predigt. Markus wird nun mehrere Predigten in eine zusammenstellen, damit man sie sich besser merken kann.

 (Mk. 9,36-37):

Und er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie und herzte es und sprach zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.

Jeschua zeigt, dass das Kind einem Ungelehrten, einem Tauben oder einem Blinden ähnelt. Das Kind ist hilflos und in allem von der Gesellschaft abhängig. Und das Kind dient hier als Beispiel eines schutzlosen und schwachen Menschen. Derjenige, der diesen Menschen – einen Bettler, einen Obdachlosen oder einen Hungrigen – annimmt, und derjenige, der dies im Namen Jeschuas tut, nimmt Jeschua an. Und derjenige, der Jeschua annimmt, nimmt auch den Vater an.

Wenn wir aufhören, Menschen in Würdige und Unwürdige zu teilen und danach zu streben, genau den Würdigen Hilfe zu leisten, dann ändert sich auch die Einstellung von Oben zu uns. Und uns wird die Hilfe nicht nach Würde beigemessen, sondern aus Gnade. Das bedeutet nicht, dass wir zu Einfaltspinsel werden sollen, denn es wird gesagt: „Dein Almosen soll in deiner Hand schwitzen.“ Aber wenn wir einen Menschen sehen, der wirklich in Not ist, dann müssen wir ihm helfen, ohne uns lange Gedanken zu machen, warum er in die eine oder andere Situation geraten ist, ohne ihn zu verurteilen. Wir sollen ihn als Kind annehmen, als einen Menschen ohne Vergangenheit, als Hilflosen und Bedürftigen. Und wir sollen es um Jeschuas willen tun.

Weiter stellen die Jünger noch eine Frage an Jeschua

(Mk. 9,38-39):

Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden.

Hier entsteht die Frage nach der Zugehörigkeit zur Gemeinde, zur Jüngerschaft oder einfach nach dem Wissen, nach dem Glauben im Namen. Natürlich ist es besser für den Menschen, der an Jeschua glaubt, mit ihm zusammen zu gehen und unter seinen Jüngern zu sein. Aber wenn jemand geht und im Namen Jeschuas heilt, dann sagt Jeschua selbst: „Ihr sollt es ihm nicht verbieten!“ Wenn man ihm nicht verbietet zu heilen, bedeutet das, dass man auch dem Volk nicht verbietet, sich an so einen Menschen zu wenden. So sagt Jeschua

(Mk. 9,40-41):

Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.

(Weiter spricht Jeschua, als ob er unterbrochen wurde, zu dem Gesagten im Vers 37). Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.

Wenn wir dem Gott dienenden Menschen mit Becher Wasser helfen, wird niemand sagen: „Na ja, der hat nur einen Becher Wasser eingeschenkt! Was kostet der schon?“ Sogar für den Becher Wasser werden wir den Lohn nicht verlieren.

Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.

Wir können den bedürftigen und „unbedeutenden“, “kleinen“ Gläubigen an Jeschua dienen. Wir können sie lehren. Aber wir sind auch für ihre Verführung verantwortlich. Wir dürfen nicht sagen: „Na ja, ein Bettler. Er führt bereits diese Lebensweise und ist eigentlich ein verlorener Mensch,“ – nein, wir tragen die Verantwortung für ihn. Und eine auf derartig verächtliche Einstellung stellt den Menschen sozusagen einem Mörder gleich, demjenigen, der von der Tora Gottes ausgestoßen wird.

Ein Mühlstein am Hals wird traditionell als eine Strafe gesehen für den, der einen Menschen vom Toralernen entfernt.

Ab dem Vers 43 beginnt eine andere Predigt, die man hierher hinzufügt, da es sich um Versuchungen handelt und man es sich gut merken kann. Es ist ein für die Bücher jener Zeit traditioneller Aufbau des Inhalts.

 (Mk. 9,43-48):

Wenn dich aber deine Hand verführt, so haue sie ab! Es ist besser für dich, dass du verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände hast und fährst in die Hölle, in das Feuer, das nie verlöscht. Und wenn dich dein Fuß verführt, so haue ihn ab! Es ist besser für dich, dass du lahm zum Leben eingehst, als dass du zwei Füße hast und wirst in die Hölle geworfen. Und wenn dich dein Auge verführt, so wirf’s von dir! Es ist besser für dich, dass du einäugig in das Reich Gottes eingehst, als dass du zwei Augen hast und wirst in die Hölle geworfen, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht.

„Gehinnom“ ist ein Ort im Süden Jerusalems, eine Mülldeponie, wo man früher Kinder als Opfer für Moloch darbrachte. Anschließend war dort eine riesige Mülldeponie, wo stets Feuer brannte.

Jeschua vergleicht zwei Sachen: Einerseits kann ein Verstümmelter ohne Hand in das ewige Leben kommen, andererseits kann man mit beiden Händen auf einer Mülldeponie landen, wo der Körper verbrannt wird. Was ist besser?

 Jeschuas Zuhörer, genauso wie moderne Leser, können verstehen, dass man das Gesagte nicht wörtlich nehmen darf, sondern es geht darum, welche Eigenschaften unseres Wesens, unseres Charakters wir abtrennen sollen. Der Vergleich mit der Abtrennung der Hand oder des Beines ist nicht umsonst. Es ist wirklich ein sehr schmerzhafter Prozess. Aber es ist besser, dies zu vollbringen, denn in die Welt, wohin wir gehen – in das ewige Leben – können wir nicht hineinkommen, wenn wir sogar ein bisschen Finsternis in uns tragen. Das Hereinkommen wird ohne Abtrennung jeglicher Finsternis, jeglichen dunklen Flecks nicht möglich

(Mk. 9,49):

Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden. 

Juden schlossen den Bund des Salzes ab. Salz bewahrt Fleisch von verderben. Salz korrigiert den Geschmack. Salz kann Fleisch vom Blut reinigen, d.h. mithilfe des Salzes kann man auch eine rituelle Reinigung vollbringen. Und jeder soll eine Korrektur durch Salz durchlaufen, den Prozess, von dem Jeschua früher bereits gesprochen hat. Jedes Opfer wird durch Salz korrigiert. Wir bereiten uns zum Opfer durch die Kreuzigung  Jeschua und wir müssen gesalzen werden.

Jeschua setzt fort

 (Mk. 9, 50):

Das Salz ist gut; wenn aber das Salz nicht mehr salzt, womit werdet ihr’s würzen?

Ein nicht salziges Salz ist ein Widerspruch in sich. Das Salz kann nicht nichtsalzig sein. Wenn Salz nichtsalzig ist, kann man damit nicht würzen, das ist dann überhaupt kein Salz. Dieses Kapitel endet mit den Worten:

Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander!

Jeschua spricht darüber, dass wir in uns Kraft und Möglichkeit haben sollen, uns selbst zu korrigieren. Uns zu beherrschen, uns bewusst zu sein, was wir sein möchten – die Größeren oder die Kleineren.

Wir sollen verstehen, wozu wir tatsächlich fähig sind, wie groß unser Glaube ist und was  uns gegeben wurde. Und wenn wir Salz in uns haben, sollen wir auch Frieden untereinander haben.

Salz zu besitzen bedeutet sich selbst wirklich zu kennen. Das hilft, sich selbst nicht auf die erste Stelle zu stellen und im Kampf um den ersten Platz einen anderen Menschen zu verstoßen. Diese Selbsterkenntnis sollte helfen, barmherziger im Umgang mit anderen Menschen zu werden. Solche Einstellung zu anderen führt zum Frieden untereinander.

Man kann sagen, das ist Jeschuas Testament an seine Nachkommen. Das wurde nicht nur seinen Schülern gesagt, sondern auch uns, wie einen Teil der Rettungsmethode. Man soll vor allem seine eigene Schwächen betrachten, diese salzen, korrigieren und abtrennen (manchmal sehr schmerzhaft) und dieses Salz immer in sich haben. Und wenn wir Salz in uns haben und barmherzig miteinander umgehen, können wir dann vergeben und mit Verständnis die Schwächen anderer Menschen annehmen, wir können dann anderen helfen der Sünde zu widerstehen, und wir werden Frieden untereinander haben. Und das ist das größte Zeichen für Jeschuas Jünger.

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