Markusevangelium, Kapitel 12

Das zwölfte Kapitel beginnt mit dem Gleichnis über die böse Weingärtner

(Mk. 12,1):

Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes.

Dieser Vers beschreibt den Weingarten. Er ist umzäunt, es gibt dort eine Kelter – das ist der Ort, wo der Wein nach der Pressung fließt. Es gibt auch einen Turm – das ist ein gut befestigtes Zelt, ein Wirtschaftsraum, in dem Weingärtner und Wächter wohnen. Der Besitzer verpachtet den Weingarten und geht weg, seine Geschäfte zu erledigen.

Zu damaligen Zeiten war das Vermieten von Landgütern sehr aktuell. Deswegen waren angemietete Weingärten, Olivenhaine und Dattelgärten eine sehr verbreitete Erscheinung.

(Mk. 12,2-6):

Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme. (Wenn der Mensch Pächter ist, dann soll er ein Teil der Früchte dem Besitzer abgeben.) Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen anderen Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 

Aus dem Vers sechs kann man erschließen, dass der Besitzer noch einen Sohn hatte, d.h. einen zweiten Sohn. Korrekter wäre es zu übersetzen: „Er hatte auch einen Sohn.“

(Mk. 12,7-11)

Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«?

Dieses Gleichnis hinterlässt viele Fragen, auf die wir versuchen eine Antwort zu finden.

Das einfachste Verständnis dieses Gleichnisses ist, auf die wir stoßen werden, dass es hier wiederum um Israel geht: Der Weingarten ist Israel, das den Priestern und Pharisäern anvertraut wurde, aber sie brachten keine Früchte, deswegen wird er den anderen übergeben. Oder es gibt auch eine andere Variante: Pächter des Weingartens stellen Israel dar. Da der Weingarten keine Früchte brachte oder sie wollten geerntete Weintrauben Gott nicht geben, gehört Israel nicht mehr zum auserwählten Volk. Am einfachsten ist es natürlich, in diesem Text die Verfluchung Israels zu sehen. Des Weiteren entsteht die Frage zum Abschluss des Gleichnisses, weil es mit dem Hinweis auf Psalm 118 beendet wird: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.

Wenn man den Psalm im Kontext betrachtet, stellt sich heraus, dass es eine ziemlich fröhliche Botschaft ist (Ps. 118:21-25): Ich danke dir, dass du mich erhört hast und hast mir geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum  Eckstein geworden. Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen. Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. O HERR, hilf! O HERR, lass wohl gelingen! 

Das Gleichnis scheint tragisch zu sein, aber es hat einen optimistischen Ausgang. Und wenn man es annimmt, dass es hier um den Fluch Israels geht, wie konnte dann Jeschua in der Gegenwart der Apostel, in einem jüdischen Kreis, sich über ein solches Ende freuen? Derjenige, der sagte: „Ich bin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel gekommen“, derjenige, der sagte: „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden hinzuwerfen.“ Ein Jude, der von einer jüdischen Frau geboren wurde, der Israel liebt und bereit ist, sein Leben für Israel zu geben (und nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt). Wie kann er sich über den Fluch Israels freuen? Und was ist mit dem Stein gemeint, den die Bauleute verworfen haben?

 Etwas seltsam scheint das Verhalten des Weingartenbesitzers zu sein. Nach allen tragischen Ereignissen entscheidet er sich dennoch, seinen Sohn zu schicken, um Ernte zu holen. Es ist unklar, wie man wegen Weintrauben das Leben des eigenen Sohnes riskieren kann.

Wir beginnen der Reihe nach. Das fünfte Kapitel im Buch Jesaja erzählt uns von einem Winzer, der einen Weingarten hatte. Er richtete ihn ein und umzäunte ihn. Der erste Vers unseres Kapitels ist fast ein Zitat aus der Geschichte über den Weingärtner bei Jesaja. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Geschichte bei Jesaja einen Vorwurf enthält, weil der Weingarten keine Früchte hat. Bei Markus geht es nicht um die Früchte, sondern es handelt von den bösen Pächtern, die die Ernte nicht abgeben.

Schauen wir nach, welche Parallele man hier noch finden kann

 (Mk. 12,6-7):

Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, wir wollen ihn umbringen, so wird das Erbe unser sein!

Dieser Abschnitt ähnelt dem, was zu seiner Zeit Josef passierte. Jakob schickt Josef, um seine Brüder zu besuchen (darüber wissen wir aus dem Buch Bereschit (1.Mose)). Hier gibt es viele Parallelen zu Jeschua: so wie Jakob Josef beauftragt, den Viehzustand zu prüfen, genauso kommt Jeschua zu verlorenen Schafen aus dem Hause Israels; die Brüder sind zu zwölf und die Apostel sind zu zwölf. Und die Aussage aus dem siebten Vers „kommt, wir wollen ihn umbringen,“ ist fast die gleiche Aussage, die Josefs Brüder aussprachen, als sie ihn aus der Ferne sahen (1. Mose 37:20). Hier ist ein gewisser Hinweis auf die Geschichte mit Josef.

Wir wissen, dass die Brüder lange Zeit dachten, dass sie Josef getötet hatten. In der Tat war es die Entscheidung des Allmächtigen, dass Josef (tot für Israel) zur Macht unter den Heiden kam, zur rechten Hand des Pharaos wurde, und das alles diente der Errettung Israels. Wenn man darüber spricht, dass die Vorväter das Volk bauten, dann ist der Stein, den sie verworfen hatten (das hebräische Wort „maasu“ bedeutet „sich ekelten“) zum Eckstein geworden.

Der Eckstein kann zwei Bedeutungen haben. Normalerweise wird es übersetzt, als Grundstein, an den alle anderen Steine beim Mauern angepasst werden. Eine andere Bedeutung dieser Aussage (und sie ist an der Stelle viel wahrscheinlicher) ist der Schlussstein, d.h. der letzte Stein, der den Bogen schließt und das Zusammenhalten anderer Steine ermöglicht.

Um sich in dieses Gleichnis zu vertiefen betrachten wir eine jüdische Quelle, die zur gleichen Zeit entstanden ist: „Sifre“( Deutung) zum 5.Mose. In ihr geht es darum, dass Jakob das Erbteil, das Los des Allmächtigen ist (5.Mose 32:9). „Sifre“ ist ein sehr früher Midrasch (Auslegung), es kann wohl sein, dass er auch zu Jeschuas Zeiten existierte oder mindestens seine Hauptbeiträge zu damaligen Zeiten existierten. In „Sifre“ wird gefragt: „Was bedeutet es, dass der Anteil des Allmächtigen sein Volk (d.h. Jakob und seine Kinder) ist? Das kann man mit einem König vergleichen, der ein Feld hatte und es verpachtete. Die Pächter fingen an vom Feld zu stehlen. Der König nahm das Feld von ihnen weg und übergab es ihren Kindern. Es stellte sich heraus, dass die Kinder noch schrecklicher als die Väter sind. Das zweite Mal nahm er das Feld weg und gab es an die Enkelkinder. Die Enkelkinder waren aber noch schlimmer als die vorherige Generation. Der König hatte einen Sohn, und er sagte: „Verlasst das Feld. Ihr könnt es nicht weiter verpachten. Gebt mir das, was mir gehört. Ich werde es besitzen.“

Der Midrasch erklärt sich selbst: Als Abraham in diese Welt kam, war sein Same noch nicht rein. Von ihm wurde Izchak(Isaak) geboren, eine edle Frucht, aber nicht alle seine Früchte waren vollkommen, da von ihm auch Ischmael und Keturas Söhne stammten. Deswegen kann man sagen, dass Abraham kam und das Land als Pacht vom Allmächtigen bekam, aber er stahl vom Allmächtigen, d.h. er brachte unreine Früchte. Danach kam Izchak und auch er hatte unreine und reine Früchte – Esau und Jakob wurden geboren, der Esau pflegte enge Beziehungen mit den Fürsten Edoms. Das war noch schlimmer als in der Geschichte mit Abraham. Als Jakob kam, waren seine Nachkommen reine Söhne, keiner von ihnen trennte sich ab, alle zwölf Söhne Jakobs bildeten Volk Israel. Von seinen Söhnen fiel niemand ab, deswegen wählte Gott Jakob zu seinem Erbe aus, weil Jakob in der Midraschsprache die Früchte nicht stahl.

Zurückkehrend zu unserem Text kann man die Schlussfolgerung machen, dass das betrachtende Gleichnis nicht von Gottes Langmütigkeit und Israels Fluch spricht, sondern von Verheißungen an Israel. Gott gab Abraham Verheißung, dass von ihm der Same kommt, und Er ist seinem Versprechen treu. Und ähnlich dem, wie die Weingärtner den Sohn behandelten, ihn töteten und schmissen aus dem Weingarten, warfen die Brüder Josef aus dem Land Israel raus. Josef selbst war der Meinung, dass er verstoßen war. Wir sehen das an den Namen, die er den Kindern gab, er nannte seinen Sohn „Menasche“ – „Gott ließ mich Vaters Haus vergessen.“ Aber Gott wendete alles so, dass Josef zur Basis der Errettung Israels wurde. Das war das erste Mal, dass der Stein, den die Bauleute verworfen hatten, zum Eckstein, zum Schlussstein wurde.

Jeschua spricht mit seinen Schülern schon, nachdem er ihnen die Verheißung über die Auferstehung am dritten Tag offenbarte. Nach der Auferstehung Jeschuas wird das Königreich Israels ihm übergeben. Für einige Zeit verbirgt er sich und wird zu Völkern gehen, aber er wird wiederkehren und die Macht in Israel wird ihm übergeben. Das wird eine große Errettung für Israel und das wird wunderbar in unseren Augen.

Jetzt, in der Zeit, wo Jeschua in Israel verachtet wird, man kann sagen, dass viele religiösen Anführer ihn mit Ekel behandeln, ist er wörtlich der von Bauleuten verworfene Stein. Aber das Gleichnis ist die Verheißung darüber, dass die Errettung durch diesen Stein kommen wird.

Das Gleichnis wurde gegeben, um einen bestimmten Gedanken zu bewahren. Verschiedene Kommentatoren erläutern es unterschiedlich. Wir sehen in ihm Verheißungen an Israel, jemand anderer sieht hier aber den Fluch Israels. Die Wahrheit wird am Ende der Zeit offenbart, wenn alle Prophezeiungen in Erfüllung gehen. Bei Apostel Paulus sehen wir, dass Jeschua zum Volk Israel zurückkommt und  ganz Israel errettet wird.

 (Mk. 12,12):

Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Zur Rechtfertigung ihrer Handlungen ist zu bedenken, dass Israel zu jener Zeit von Rom erobert wurde. Daher konnten jegliche Ansprüche auf Macht und Reich zu politischen Repressionen führen, zum Krieg, zum Tod großer Anzahl der Menschen usw. Im Nachhinein wird es dazu kommen, dass die Juden aus Jerusalem vertrieben werden und der Tempel zerstört wird. Also, die Lehrer verstanden von wem Jeschua spricht, sie wurden auf ihn zornig und entschieden ihn zu fangen. Sie kamen zu Jeschua und stellten ihm eine Frage mit politischen Hintergrund. Eine Frage, die man nicht beantworten konnte, ohne Politik zu berühren. Politische Fragen zu beantworten ist eine große Herausforderung.

 (Mk. 12,13-14):

Und sie sandten zu ihm einige von den Pharisäern und von den Anhängern des Herodes, dass sie ihn fingen in seinen Worten. Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und fragst nach niemand; denn du siehst nicht auf das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen? 

Das Volk empörte sich stark gegen die römische Eroberung und auch gegen das Bild auf der Münze, das war unzulässig. In dieser Situation bedeutete die bejahende Antwort „ja, man kann zahlen“ dass man zu den Kollaborationisten (prorömisch eingestellten Bürgern) gezählt wurde. „Nein“ zu sagen, bedeutete sich in eine politisch ungünstige Lage zu bringen und des Aufstands gegen Rom beschuldigt zu werden. Was macht Jeschua?

(Mk. 12,15):

Er aber merkte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Silbergroschen, dass ich ihn sehe!

Natürlich hat Jeschua auch früher einen Silbergroschen gesehen. Aber er möchte zeigen, dass diese „rechtschaffene“ Menschen Münzen mit dem Abbild des Kaisers bei sich tragen und diese Symbole des Götzendienstes in den Tempel mitnehmen. Auf dem Silbergroschen stand geschrieben: „Tiberius – Kaiser. Sohn göttlichen Augustus. Augustus – Pontifex“, Pontifex war der Oberpriester in Rom. Das Abbild des Kaisers und die Aufschrift beunruhigten natürlich das Gewissen und die Worte „Oberpriester“ und „göttlich“ sind miteinander nicht vereinbar.

(Mk. 12,16-17):

Und sie brachten einen. Da sprach er zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach Jesus zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Und sie wunderten sich über ihn.

Nach dem Gesetz gehören die Münzen dem Kaiser Augustus, er ist auf ihnen abgebildet, was seine Macht im Land bestätigt. Deswegen sagt Jeschua, man soll dem Kaiser seine Münzen abgeben und Gott sollte man das Göttliche geben. Und es war schwierig, darüber zu streiten.

Jeschua war keine ordinäre Persönlichkeit, einige wollten mit ihm diskutieren und andere wollten ihn in die Enge treiben. Verschiedene Menschen konnten zu ihm mit seltsamen Fragen kommen. Und so kamen zu ihm die Sadduzäer. Die Sadduzäer waren eine Sekte, die möglicherweise von Zadok hervorging. Überwiegend gehörte dazu die regierende Elite, die Priester. Sie glaubten nicht an die Auferstehung von den Toten und an ein Leben nach dem Tod. Sie glaubten nur an den Text der fünf Bücher Mose (Chumasch) und lebten danach. Ihre Prinzipien bestanden daraus, dass Erlösung und Reinigung durch Opfergabe erreicht wird und es keine Belohnung im Jenseits gibt. Sadduzäer stellten Jeschua eine höhnische Frage

 (Mk. 12,18-19):

Da traten die Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung; die fragten ihn und sprachen: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (5. Mose 25,5-6): »Wenn jemandes Bruder stirbt und hinterlässt eine Frau, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.«

Um die erblichen Beziehungen zu halten und das Geschlecht des älteren Bruders zu bewahren, war der jüngere Bruder verpflichtet, mit der Frau (der Witwe) des älteren Bruders seinen Samen wiederherzustellen. Mit diesem Gesetz verbundene Schwierigkeiten entstanden sogar unter den Pharisäern bereits zur damaligen Zeit. Zur Leviratsehe war die Einstellung sehr kompliziert. Es gibt eine Legende über orthodoxe Juden, dass sie mit ihren Frauen durch ein Loch in der Decke schlafen. In der Tat ist das eine Lüge. Natürlich schlafen sie mit ihren Frauen ganz normal. Die Legende selbst geht aber auf die Geschichte mit Rabbi Jehuda zurück, der mit der Witwe seines Bruders geschlafen hat. Er schlief mit ihr fünfmal, um fünf Kinder zu zeugen. Jedes Mal machte er das durch ein Loch im Laken. Denn es ist sehr schwierig, das Streben nach der Erfüllung des Gebotes von der Begierde nach einer Frau zu trennen. Um die Anziehungskraft zur Frau mindestens irgendwie zu bezwingen, deckte Rabbi Jehuda ihren Körper zu. Das mag für einige wild klingen und bei anderen Spott hervorrufen, aber solches Verständnis der Frömmigkeit hatte dieser Mann. Auf diese Art und Weise versuchte er vor dem Allmächtigen fromm zu sein. Aber in jedem Fall ging der Bruder zur Witwe seines älteren Bruders ein. Wenn es ihm nicht gelang, den Samen wiederherzustellen, dann machte es der mittlere Bruder usw. In der Geschichte der Sadduzäer (das ist natürlich keine reale Geschichte, sondern ein von ihnen ausgedachtes Märchen) geht es darum

(Mk. 12,20-23):

Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau; der starb und hinterließ keine Kinder. Und der zweite nahm sie und starb und hinterließ auch keine Kinder. Und ebenso der dritte. Und alle sieben hinterließen keine Kinder. Zuletzt nach allen starb die Frau auch. Nun in der Auferstehung, wenn sie auferstehen: Wessen Frau wird sie sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt.

Sadduzäer legten viel Wert auf Kinder, weil sie der Meinung waren, dass derjenige, der Kinder hinterließ, gewisse Vorteile hatte. Hier möchte Markus zeigen, dass Sadduzäer die Halacha (praktische Vorschriften) nicht verstanden haben. Da der Samen für den älteren Bruder wiederhergestellt werden sollte, war es irrelevant, von wem die Frau gebärt, denn die Kinder galten als Kinder des älteren Bruders, sonst hätte man mit der Frau nicht schlafen dürfen. Die Frau blieb formell die Frau des älteren Bruders.

 (Mk. 12,24):

Da sprach Jesus zu ihnen: Irrt ihr nicht darum, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes?

Jeschua sagt den Sadduzäern, dass sie sich mit sinnlosen Sachen beschäftigen. Sie denken sich scholastische Geschichten aus und verwirren sich selbst. Dabei versuchen sie nicht zu verstehen, was der Allmächtige will und wie Er wirkt

(Mk. 12,25):

Denn wenn sie von den Toten auferstehen, so werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel.

D.h.,sie werden nicht im Himmel sein, sondern sie werden den Engeln im Himmel ähnlich sein. Auferstandene aus Toten werden kein Institution der Ehe haben, daher ist die Frau frei. In der Tat, wenn der Man gestorben ist, gehörte sie ihm dann nicht. Und wenn sie selbst stirbt, gehört sie ihm nicht. In katholischen Kirchen wird gesagt, bis der Tod euch trennt – wenn der Tod trennt, dann ist man frei.

(Mk. 12,26-27):

Aber von den Toten, dass sie auferstehen, habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose, bei dem Dornbusch, wie Gott zu ihm sagte und sprach (2. Mose 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr irrt sehr.

Wenn ihr nur an die Tora glaubt, gut! Nehmen wir eure Solo Skriptura und schauen, wo die Auferstehung von den Toten in der Tora ist. Mosche erschien nicht irgendein Gott der Hölle, sondern Gott – Schöpfer und Meister von allem, der absolute Herrscher der ganzen Welt. Er wird mit den Namen der Lebenden genannt, nämlich als Gott von Abraham, Izchak und Jakov, weil bei Gott alle lebendig sind. Diesem einfachen und verständlichen Argument konnten die Sadduzäer kaum widersprechen.

 (Mk. 12,28-31):

Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5). Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.

Mosche erhielt am Berg Sinai zwei Tafeln. Auf einer von ihnen waren Gebote, die die Beziehungen zwischen Gott und Menschen darstellen. Auf der zweiten waren die Gebote wie du sollst nicht Ehe brechen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht morden – das sind Gebote, die zwischenmenschliche Beziehungen regeln. Traditionell kann man das später bei den Weisen sehen. Rabbi Akiva kommentiert es ähnlich. Er sagt, dass die ganze erste Tafel  darauf hinausläuft „Liebe Gott mit deinem ganzen Herzen“. Wenn ein Mensch Gott liebt, dann existieren keine weiteren Götter für ihn und er wird auch Schabbat (Samstag) halten. Und andererseits, wenn ein Mensch seinen Nächsten liebt, dann wird er nicht nach seiner Frau oder nach seinem Esel verlangen, er wird auch nicht falsch gegen ihn aussagen.

(Mk.12,32-33):

Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 

Unter Berücksichtigung, dass diese Worte im Tempel gesagt wurden, war diese Aussage sehr fortschrittlich für damalige Zeit, weil um den Tempel herum Menschen lebten, die Opfer brachten und rituelle Reinheit sehr schätzten, oft mehr als das menschliches Leben.

(Mk. 12,34):

Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.

„Du bist nicht fern vom Reich Gottes“ – mit diesen Worten lobte Jeschua den Schriftgelehrten und meinte, dass er den richtigen Weg geht.

(Mk. 12,35-37):

Und Jesus fing an und sprach, als er im Tempel lehrte: Wieso sagen die Schriftgelehrten, der Messias sei Davids Sohn? David selbst hat durch den Heiligen Geist gesagt (Psalm 110,1): »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege.« David selbst nennt ihn ja »Herr«. Woher ist er dann sein Sohn? Und die große Menge hörte ihn gern.

In der Tat kann der Vorfahre keinen Nachkommen „Herr“ nennen. Das war gegen gute Sitten jener Zeit und absolut unmöglich. Wenn David so seinen Nachkommen nennt, bedeutet es, dass eine exklusive Verbindung zwischen ihm und dem Maschiach besteht. Wir wissen, dass David die Verheißung erhielt, dass der Maschiach von ihm stammen wird. Die ganze Tätigkeit Davids war darauf ausgerichtet, den Tempel zu bauen und dem Allmächtigen zu dienen, damit in ihm die Verheißung in Erfüllung geht, die noch Abraham gegeben wurde.

Aus der Sicht der Genealogie oder Abstammung ist der Maschiach tatsächlich formell ein Nachkomme Davids. Laut den Absichten des Allmächtigen entstand der Maschiach viel früher als David. Daher kann auch König David den Maschiach „Herr“ nennen.

Wenn z.B. jemand entscheidet nach Israel zu fliegen, eine Reise nach Jerusalem zu unternehmen, steigt er zuerst ins Taxi ein und fährt ins Reisebüro ein Ticket zu bestellen. Einerseits ging die Fahrt ins Reisebüro der Reise nach Israel voraus. Andererseits entstand diese Fahrt aus der Entscheidung nach Israel zu reisen. Wenn man alles aus der Sicht des Vorhabens Gottes betrachtet, dann kann David den Maschiach „Herr“ nennen. Es gibt viel gesunde Kritik bezüglich dieses Midraschs (dieser Erklärung). Man sagt, es handele sich um Abraham, der Vers wurde falsch übersetzt und Jeschua zitierte ihn ungenau. Diese gewisse Freiheit und Biegsamkeit der Gedanken passen vollkommen zu den Midraschim jener Zeit. Das war ganz normal, hier gibt es keine Lüge oder Täuschung. Das ist eine klassische Interpretation jener Zeit, die durchaus den Sinn der Absichten des Allmächtigen widerspiegelt.

Dieses Kapitel endet mit ethischen Belehrungen.

 (Mk. 12,38-40):

Und er lehrte sie und sprach: Seht euch vor vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und sich auf dem Markt grüßen lassen und sitzen gern obenan in den Synagogen und beim Gastmahl; sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.

Einerseits taten die Schriftgelehrten sehr gut daran, dass sie das Volk in der Tora lehrten, im Gegensatz zu den Priestern. Sie leisteten einen großen Beitrag in die Bildung Israels, indem sie in den Synagogen lehrten und Tora predigten, so wie sie wussten und konnten. Das Volk brachte ihnen Achtung entgegen, manchmal sogar übertrieben, wodurch die Gelehrten verführt wurden. Sie ergaben sich der Möglichkeit, etwas vom Volk zu erhalten.

Man erzählt von Rabbi Jehuda, dass er einmal zu einem Mann kam. Sie unterhielten sich über Tora und der Mann servierte ihm Essen. Rabbi Jehuda sagte ihm: „Da wir (Schriftgelehrte und Pharisäer) gehen und die Tora bringen, nehmen wir uns priesterliche Gaben. Behandle mich wie einen Kohen(Priester) und bringe mir die Zunge einer dreijährigen Kuh.“ Die Zunge einer dreijährigen Kuh galt zu jener Zeit als eine große Delikatesse. Der Mann ging, nahm diese Zunge, bereitete sie zu und servierte sie Rabbi Jehuda. Man sagt, dass Rabbi Jehuda danach vom Himmel ernsthaft zurechtgewiesen wurde.

Jeschua spricht darüber, dass die Menschen, die auf priesterlichen Positionen sind, als Gegenleistung für irgendwelche Segnungen finanzielle Ressourcen aus dem Volk absaugen. Jeschua sagt seinen Schülern nicht, dass sie sich vor den Schriftgelehrten in Acht nehmen sollen, sondern dass sie aufpassen müssen, genauso wie diese Schriftgelehrten zu werden.

 Außerdem sagt Jeschua, dass die Schriftgelehrten zur Schau beten und lange Gewände tragen. In einem Wort, sie  versuchen gerecht auszusehen. Fast zwei Tausend Jahre nach diesen Ereignissen kann ich sagen, dass eine der orthodoxeren und fast in allen Fragen strengsten Gemeinde in der ganzen Welt – die Jerusalemer Gemeinde ist. Es gibt keine andere Gemeinde, die strengere Vorschriften über die Kopfbedeckung der Frauen, Strümpfe, Länge des Kittels und Größe der Straimel (Pelzmütze) hätte. Denn diese Gemeinde lebte lange Zeit von Spenden aus der ganzen Welt. Damit man Menschen zu Spenden bewegt, muss man eine sehr korrekte und gerechte Lebensweise führen, die öffentlich sichtbar ist. Das ist Heuchelei, wenn das Innere unserem Äußeren nicht entspricht und genau davor warnt Jeschua seine Jünger.

 (Mk. 12,41-44):

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. (Der durchschnittliche wöchentliche Unterhalt einer Witwe mit zwei Kindern). Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Wir schenken häufig Aufmerksamkeit den Menschen, die gewisse geistliche Errungenschaften haben, z.B. beim Spenden, im Gebet oder im Kampf gegen irgendwelche Schwächen und Laster. Aber die Größe unserer Heiligkeit wird nicht dadurch bestimmt, wie viel wir für den Tempel gespendet oder wie viele Sünden wir besiegt haben, sondern sie hängt davon ab, wofür wir bereit waren und welche Anstrengungen wir unternommen haben, um diese Heiligkeit zu erreichen. Wenn ein Mensch, der mit einer gebrochenen Wirbelsäule daliegt, aufsteht und ein paar  Schritte macht, hat er vielleicht einen stärkeren Geist als derjenige, der hundert Meter laufen kann. Als Diener sollte man verstehen und das wählen, was für das Königreich wertvoll ist. Die Verführung kann entstehen, diejenigen Menschen näher zu Gott zu bringen, die mehr Geld spenden. Aber Jeschua lehrt tiefer in die Menschen zu schauen und das zu verstehen, was in den Menschen ist. Dann kann man sehen, dass die zwei Scherflein der Witwe mehr waren als die zwei Tausend Dinaren, die an dem Tag Nikodemus in Gotteskasten legte.

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